Digitalisierung der Instandhaltung bei Bayernoil

Wie ein Skiurlaub in Tirol die Stillstands-Abwicklung Bayerns größter Raffinerie nachhaltig veränderte – Interview mit Holger Springer, Leiter Anlagenzuverlässigkeit bei Bayernoil.
Herr Springer, Sie sind Leiter der Anlagenzuverlässigkeit bei Bayerns größter Raffineriegesellschaft Bayernoil. Sie stellen eine breite Palette an Produkten wie Benzin, Diesel oder Bitumen aus Rohöl her. Was sind aktuell Ihre größten Herausforderungen?
Unsere Raffinerie ist Teil der ‚kritischen Infrastruktur‘, dementsprechend ist unsere Hauptaufgabe die Versorgungssicherheit mit Kraftstoffen in Bayern zu gewährleisten – unbeschadet von den Herausforderungen durch Corona oder die Ukraine-Krise.
Sie haben als erster der Branche Ihre Stillstands-Abwicklung durch mobile Rückmeldungen auf neue Beine gestellt. Weshalb haben Sie dieses Projekt gestartet?
Ich bin leidenschaftlicher Skifahrer und war vor Jahren in Kirchberg in Tirol mit Freunden zum Skifahren. Dort ist mir zum ersten Mal ein kleines Gerät mit großer Wirkung aufgefallen. Wir haben dort bei einer Person die Bestellung aufgegeben, eine zweite Person hat uns innerhalb kürzester Zeit unsere Getränke gebracht und bezahlt haben wir dann bei einer dritten Person, die wiederum genau wusste, was wir konsumiert hatten. Der ganze Ablauf ging extrem zügig und reibungslos. Das war 2005 und genau dort sprang der Funke über.
Damals wickelten wir unsere Stillstände mit den herkömmlichen Papiertapeten ab. Das war ein gelerntes stabiles System, allerdings war eine Echtzeitdarstellung nicht möglich. Die Übertragung der Infos vom Papier ins System war immer etwa einen halben Tag bis Tag im Rückstand. Das war natürlich eine Katastrophe. Wenn ein Arbeiter dann zum Beispiel einen Behälter benötigte, um dort seinen Job durchzuführen, aber nicht wusste, dass der Behälter bereits frei war und so unnötige Verzögerungen entstanden.
Wie ging es nach dem Skiurlaub weiter? Wie sind Sie gestartet?
Das war ein sehr langer Prozess von unserem Skiausflug zur mobilen Abwicklung unserer Stillstände heute. Die technische Umsetzung wäre auch damals schon möglich gewesen. Wir hätten damals über das Internet und mit fixen PC-Standorten für die Synchronisierung arbeiten müssen. Das wollten aber unsere Stillstandsleiter nicht. Erst als es hier zu einem Generationenwechsel kam, war der Weg frei für die digitales Lösung.
Wie haben Sie die mobile Lösung eingeführt?
Wir haben zunächst beide Systeme, also die Papiertapeten und die neuen mobilen Rückmeldungen, parallel laufen lassen. So konnten wir testen, ob das neue System absolut sicher funktioniert. In dieser Phase wurden Details verbessert. Wir haben zum Beispiel die WLAN-Ausstattung nachgerüstet und das Personal im Umgang mit den neuen Geräten geschult. Unser Personal war sehr erfahren in Bezug auf den Stillstand, aber nicht alle waren im Umgang mit EDV-Systemen sicher.
Das war 2014. Und seither ist das System gewachsen und jetzt eine absolute Top-Lösung, die uns eine transparente Echtzeit-Darstellung des Stillstandes ermöglicht.
Ein langer Weg seit 2005?
Wir mussten wirklich einen langen Atem haben, ja. Als Abteilungsleiter eine Digitalisierungs-Lösung in einer Abteilung einzuführen ist relativ einfach. Der sagt ‚ich will das so‘ und dann muss auch entsprechend mit dem System gearbeitet werden. Bei einem Stillstand sind unzählige Fremdfirmen und Abteilungen involviert. Wir sprechen von 2.500 bis 3.000 Personen, etwa 100 davon haben wir mit Endgeräten ausgestattet, sie melden für ihre Mannschaften erledigte Aufgaben ins System – und wenn nur einer blockiert und nicht rückmeldet, kann er das System zum Kippen bringen.
Wie ist es Ihnen gelungen, die Menschen für Ihre Idee zu begeistern und mitzunehmen?
Da darf kein Fehler passieren: Das System muss zu 100 Prozent stabil laufen, muss auch offline funktionieren und darf vor allem keinen Fehler machen – sonst wird es anzweifelbar und dann ist es tot. Die Zuverlässigkeit muss einfach gegeben sein. Dass das bei uns klappt, konnten wir durch die anfangs parallele Anwendung sehr gut zeigen.
Sie haben durch die mobile Anwendung die Stillstände beschleunigt, wie muss man sich das vorstellen?
Durch das neue System kann man wahnsinnig schnell agieren, viele Probleme kann man frühzeitig beseitigen und den Arbeitsprozess weiterbringen. Das ist ein enormer Zeitgewinn. Durch die Verarbeitung in Echtzeit ist es möglich, bei ausbleibenden Rückmeldungen rasch aktiv zu werden: vielleicht ist ein Waschplatz überlastet, fehlt ein Ersatzteil oder ist ein Trupp mit zu wenigen Personen vor Ort.
Herr Springer, was kommt als nächstes?
Wir arbeiten an der Equipment-Erkennung mittels RFID-Transponder. Mit den mobilen Endgeräten kann der jeweilige Behälter erkannt werden, das System öffnet sogleich die dazugehörigen Aufgaben, die der Arbeiter vor Ort einfach erledigen, quittieren und fertigstellen kann. Ganz einfach, die Mitarbeiter müssen keine Texte tippen, sie quittieren mit dem Klick auf einen Button.
Denkbar sind viele weitere Themen, wie z.B. Arbeitsfreigaben oder Freimessungen an Behältern, aber wir gehen Schritt für Schritt und legen Wert darauf, unsere Mannschaft mitzunehmen. Digitalisierung soll uns ja das Leben erleichtern und uns nicht zusätzlich beschäftigen!
Und zu guter Letzt – Sie sind das erste Mal bei den Instandhaltungstagen in Salzburg. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf den Austausch mit Kollegen zu ähnlichen Themenstellungen, neuen Technologien und Gemeinsamkeiten, aber auch auf Anregungen durch die anderen Teilnehmer. Und ich freue mich auf die Möglichkeit, wieder Kontakte zu knüpfen. Ich bin schon gespannt auf die Instandhaltungstage.
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